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Da setzt man sich nach wohlwollenden Kritiken 2005 ins Kino, um dann von Cages Erzählstimme den Satz: „… das bedeutet auf diesem Planeten hat jeder Zwölfte eine Schusswaffe. Das führt zu der Frage: Wie bewaffnet man die anderen elf?“ um die Ohren geschlagen zu bekommen. Was für eine Eröffnung. Was für ein Statement zu Beginn einer bitterbösen Satire auf Waffenhandel und -schiebereien. Doch Regisseur Niccol belässt es nicht bei diesem scharfen Monolog, sondern schließt daran kongeniale Bilder an, wie eine Gewehrpatrone gebaut, verschifft, gehandelt, geladen und im Kopf eines Jungen in einem Krisengebiet landet. Bäm.
Keine fünf Minuten in Lord of War sind vergangen und man sitzt mit offenen Mund und verblüfftem Erstaunen vor der Leinwand. Man ist geneigt, sich zu kneifen, um zu erspüren, ob man das soeben Gesehene nicht doch nur geträumt hat. Aber es ist Realität. Und zwar die bitterste der Bitteren. Andrew Niccol hatte sich schon länger Gedanken um das Thema gemacht und viel recherchiert. Dennoch erscheint es erstaunlich, dass er für das Schreiben des Drehbuchs nur wenige Monate brauchte. Denn die Geschichte strotzt vor Querverweisen zu realen Personen und Geschehnissen. Die genannten Krisenherde sind echt. Figuren wie André Baptiste haben aller Wahrscheinlichkeit nach ihre reale Entsprechung im liberianischen Staatspräsidenten von 1997 bis 2003, Charles Taylor. Auch die Art und Weise, wie der Waffenhandel mitunter finanziert wird, basiert auf Tatsachen. Und dass Lord of War relativ ausführlich beschreibt, dass die USA in internationale Waffendeals involviert sind, hat immerhin dazu geführt, dass der Film größtenteils mit Geld aus dem Ausland finanziert werden musste. US-Geldgebern war das Thema zu heiß.
Und wo wir von Authentizität sprechen: Die im Film dargestellten Panzer sind echt und gehörten zum Drehzeitpunkt einem tschechischen Waffenhändler, der diese zeitig nach der Filmnutzung an Libyen verkaufte. Und weil 3000 echte Maschinengewehre günstiger zu erwerben waren als Nachbildungen zu bauen, kaufte man kurzerhand diese Anzahl an vz.58 Gewehren, um sie als AK47-Doubles einzusetzen. Des Weiteren lud Niccols das Team in den Flieger, um die Hauptdrehzeit in Südafrika zu verbringen und dort möglichst realistische Umgebungen für das Szenario zu finden.
Und das wirkt auf den Zuschauer entsprechend ein. Es gibt sicherlich ein paar Filme, die im Subtext Kritik am Umgang mit Waffen oder gar mit dem Handel dieser üben, aber die zynische Direktheit, mit der Lord of War operiert, war seinerzeit ein Novum. Ein Novum, das Niccol auch noch mit einem glänzenden Nicolas Cage besetzten konnte. Die Darstellung des Yuri rang ihm allerdings eine echte Meisterleistung ab. Und sie bot ihm Gelegenheit, Sätze und Momente für die Filmhistorie zu formulieren. Es gibt so viele One-Liner, die zu Klassikern wurden; so viele Szenen, in denen Sarkasmus aus der Leinwand trieft und so viele Momente, die denkwürdig sind. Wenn Yuri beispielsweise aus dem Off vom besten Weihnachtsgeschenk des Jahres 1991 redet, während man seinen frisch geschlüpften Sohnemann sieht, nur um im nächsten Moment zu offenbaren, dass er Gorbatschows Perestroika meint und nicht seinen Filius, ist das ebenso überraschend wie bitterböse.
Dass es Cage gelingt, diesen völlig gewissenlosen Yuri als Sympathieträger zu porträtieren, ist ein Geniestück, das man erst einmal hinbekommen muss. Und man kann das gar nicht genug hervorheben, weil man es als Zuschauer gar nicht infrage stellt. Man nimmt es Cage ab und wird erst dann stutzig, wenn sich das von Yuri so sorgsam aufgebaute Konstrukt in Wohlgefallen auflöst und er mit den Konsequenzen konfrontiert wird. Erst jetzt merkt der Zuschauer, welches Spiel Lord of War mit ihm getrieben hat. Und da darf man ruhig mal einen Moment in sich gehen und sich ob der Komplizenschaft mit dieser Figur und ihrem Handeln etwas schämen.
Dass man zwischendurch aber auch eine Menge zu Lachen hat, liegt an den so pointiert geschriebenen Dialogen, die stets auf dem schmalen Grat zwischen satirischer Überhöhung und möglicher Realität wandeln. Oft bleibt einem das Lachen auch im Hals stecken, wenn man für einen Moment reflektiert und merkt, wie realistisch das Szenario insgesamt ist.
Es gibt diesen Monolog Yuris, in dem er lapidar erzählt, dass er den Muslime Waffen aus israelischer Produktion verkauft und den Faschisten Munition aus kommunistischer Produktion. Was Cage als Erzähler so lapidar-witzig rüberbringt, ist eine Sequenz, in der deutlich wird, dass Waffen keine Ideologie haben und Waffenhändler einzig der Spur des Geldes folgen. Den Knarren ist’s egal, wen sie töten. Sie machen keine Unterschiede. Wie viel Wahrheit in diesem Motiv steckt, weiß man, wenn man sich mal etwas intensiver in die Rüstungsgeschäfte der Regierungen vertieft. Wie oft schon haben die großen Nationen dieser Welt in irgendwelchen Kriegen oder militärischen Auseinandersetzungen in die Läufe ihrer eigenen Waffen geschaut? Yuri mag ein privater Waffenhändler sein, der staatliche Rüstungshandel operiert indes kaum anders.
- Cage, Nicolas, Leto, Jared, Moynahan, Bridget (Schauspieler)
- Niccol, Andrew(Regisseur)
- Zielgruppen-Bewertung:Freigegeben ab 16 Jahren
Bildqualität (85%)
Andrew Niccols Film wurde 2005 analog auf 35 mm Filmmaterial aufgezeichnet. Bereits seit 2019 gibt es Lord of War als UHD Blu-ray in den USA – dort erschienen über das Label Lionsgate. Von denen hat Capelight nun das grundsätzliche Master lizensiert, hierzulande aber neu encodieren lassen – und das direkt in Dolby Vision. Das macht aus dem 2K DI natürlich immer noch keine native 4K-Auflösung, aber immerhin wurde nach den aktuellen Standards encodiert. Und so ist es auch kein Wunder, dass Helligkeit und Grading bei der deutschen UHD-BD doch ein klein bisschen anders aussehen als bei der US-Disk – was natürlich auch für die HDR10-Wiedergabe gilt, die vom Dolby-Vision-Encode downkonvertiert wurde.
Der erste sichtbare Vorteil der UHD Blu-ray gegenüber der alten und neuen Blu-ray ist der etwas bessere Umgang mit den Schwarzwerten. Details saufen auf dunklen Bildinhalten nicht mehr so drastisch ab und man kann bspw. bei Minute 84 noch etwas erkennen, was von der BD komplett verschwiegen wird. Selbst wenn der Schwarzwert dadurch etwas aufgehellt erscheint, ist es schön, noch ein paar Details zu erhalten. Erstaunlich ist, wie viel besser die HDR-Funktionalität im Zusammenspiel mit dem erweiterten Farbraum umgeht. So sieht man bei 8’01 noch das feine rote Seil zwischen den Laternen, das bei der Blu-ray fast komplett als eher graue Linie vor dem Hintergrund verschwindet. Auch die roten Punkte auf den Laternenköpfen und das Fahrrad, das am Geländer lehnt, erhalten nun mehr Farbe. Bei diesem extrem schwierigen Bild mit feinen diagonalen Linien, die in gegenläufigen Richtungen angeordnet sind, lassen sich auch die Unterschiede im Encoding erkennen.
Sämtliche Feinheiten werden etwas klarer konturiert dargestellt. Die Ränder rund um Objekte sind besser umrissen und die diagonal Richtung schwarze Flecken auf dem Boden verlaufenden Holzbohlen bleiben erkennbar(er), wohingegen sie von der Blu-ray etwas vermatscht werden. Und diesen Vorteil liefert die UHD-BD nicht aufgrund einer höheren Auflösung (die ja faktisch nicht da ist), sondern einzig durch ihr Encoding und (im Falle der Farbdarstellung) durch die HDR-Dynamik. Denn die ist wirklich herausragend. Mit einer Spitzenhelligkeit 2508 Nit und sehr hohen Durchschnittshelligkeitswerten ist die UHD-BD wesentlich heller und strahlender als die Blu-ray. Da macht das Anschauen des Films gleich noch mehr Spaß – auch wenn der Wehrmutstropfen der fehlenden 4K-Auflösung natürlich bleibt.
Gegenüber der alten Blu-ray, die deutlich zu bunt und orangelastig erschien, bietet die UHD BD nun einen etwas neutraleren Eindruck, was insgesamt stimmiger wirkt. Gleichzeitig ist sie aber satter als die neue (dem Mediabook beiliegende) Blu-ray, die zu entsättigt und kühl erscheint. Dolby Vision, im Übrigen, hinterlässt auf dem LG OLED zwar immer einen leichten Hang zum Grün, arbeitet die Kontraste von Lord of War aber noch etwas besser raus und wirkt im Schwarz knackiger.
- Cage, Nicolas, Leto, Jared, Moynahan, Bridget (Schauspieler)
- Niccol, Andrew(Regisseur)
- Zielgruppen-Bewertung:Freigegeben ab 16 Jahren
Tonqualität (85%)
Beim Ton nutzte die alte Blu-ray eine reguläre DTS-Spur, die von einer unkomprimierten englischen DTS-HD-Master-Fassung begleitet wurde. Die UHD Blu-ray erhielt nun ein Upgrade auf DTS HD-Master fürs Deutsche und Dolby Atmos fürs Englische. Und nach wie vor klingt Lord of War wirklich hervorragend. Die Räumlichkeit während der Schießereien ist exemplarisch gut. Immer wieder setzt es Querschläger und dedizierte Feuergeräusche der Waffen aus den einzelnen Speakern – hervorragend ortbar und mit erstaunlich viel Dynamik und Druck. Noch mehr Punch gibt’s bei der Explosion nach 50’15, die den Tiefbass genauso ordentlich kitzelt wie über die englische Atmos-Fassung. Allerdings ist das sehr vergleichbar mit der alten DTS-Spur. Was nicht schlimm ist, denn die war, wie gesagt, wirklich sehr gut. Einziges Manko der deutschen Fassung(en): Die gegenüber dem O-Ton etwas muffiger klingenden Dialoge.
Highlight dürfte für viele Fans des Films allerdings der englische Atmos-Sound sein, den man bereits auf der neuen Blu-ray integriert hat. Und der ist nicht von schlechten Eltern. Mit dedizierten und ziemlich coolen Effekten begleiten wir die Produktion der Munition nach knapp zwei Minuten. Zahlreiche Maschinengeräusche rattern von oben auf die Patronen und somit den Zuschauer ein. Im weiteren Verlauf klingelt es dann schön, wenn die metallenen Hülsen aufeinander rasseln. Und spätestens beim Wusch-Geräusch des abgeschossenen Projektils sitzt man dann mittendrin. Da lässt es sich verschmerzen, dass die Filmmusik immer dann auch abrupt von oben zu hören ist, wenn explizite Geräusche auf die Heights gemischt wurden. Die Trennung war offenbar nicht möglich. Schön aber auch die Stimme von Cage, der immer dann auch von oben spricht, wenn er sich als Erzähler an den Zuschauer wendet. Und das passiert, wer den Film kennt, weiß das, sehr häufig. Und es macht Spaß, von Cages warm klingendem Organ beständig rundherum benetzt zu werden.
Aber es gibt auch weiterhin 3D-Sounds. Wenn Jared Leto nach 15 Minuten in der Halle mal die automatische Waffe abfeuert, hallt es nach den vernehmbaren Schüssen auch noch prächtig nach. In der Folge passiert zwar nicht wirklich viel, was entsprechend auch keine 3D-Sounds ermöglicht, doch es gibt ein paar Szenen, in denen die Naturgeräusche hinzukommen. Vogelzwitschern oder Möwengekreisch beispielsweise. Wuchtig taucht dann der Jet nach knapp 69 Minuten über die Höhenspeaker auf und dreht dort dann lautstark wieder ab, bevor er hörbar einige Warnschüsse ausführt. Noch massiver wird’s dann bei der Landung der Transportmaschine kurz darauf. Mehrfach donnern deren Propellertriebwerke von oben über die Köpfe der Zuschauer.
- Deutsch: DTS HD-Master 5.1 (85%)
- Englisch: Dolby Atmos (90%) 2D-Betrachtung
- Englisch: Dolby Atmos (70%) 3D-Betrachtung (Quantität)
- Englisch: Dolby Atmos (85%) 3D-Betrachtung (Qualität)
Bonus (70%)
Im Bonusmaterial der UHD Blu-ray liegt zunächst der Audiokommentar von Regisseur Andrew Niccol, der untertitelt wurde. Dazu gesellen sich sieben entfallene Szenen und ein Making-of, das man von der alten Blu-ray schon kennt. Es läuft gut 20 Minuten und ist ebenfalls untertitelt. Hierin gibt Niccol sehr freizügig preis, wie er an die unterschiedlichen Waffen gelangte und was diese Tatsache für ein ernüchterndes und beängstigendes Gefühl gewesen ist. Im Featurette „Ein lukratives Geschäft: Internationaler Waffenhandel“ gibt’s dann dokumentarische Einblicke in das internationale Waffengeschäft. Ein weiteres Featurette kümmert sich um die Spezialeffekte und drei Interviews mit dem Regisseur, dem Produzenten und dem Szenenbildner vollenden das Bonusmaterial.
Gesamtbewertung Lord of War (90%)
Lord of War gehört für mich zu den Filmhighlights des ersten Jahrzehnts im neuen Jahrtausend. Und er ist zweifelsohne einer der besten Cages überhaupt. Da das Thema (leider) komplett zeitlos ist, funktioniert er auch heute noch hervorragend. Und weil die UHD Blu-ray das Ganze in prächtigem HDR und mit einem gegenüber der alten Blu-ray deutlich saubereren Encoding liefert, hat man den Film hierzulande auch noch nicht besser gesehen. Dazu kommt ein im Deutschen bereits toller Tonsektor, der vom englischen Atmos noch etwas übertrumpft wird.
- Cage, Nicolas, Leto, Jared, Moynahan, Bridget (Schauspieler)
- Niccol, Andrew(Regisseur)
- Zielgruppen-Bewertung:Freigegeben ab 16 Jahren
Technische Details & Ausstattung:
Erscheinungstermin: | 27. August 2021 | Review am: | 07. September 2021 |
Erscheinungsjahr Film: | 2005 | Laufzeit: | 122 Minuten |
Filmstudio: | Capelight Pictures | FSK: | ab 16 Jahre |
Auflösung / Bildfrequenz: |
2160p @ 24p | Untertitel: |
Deutsch |
Bildformat: |
2.39:1 / 16:9 | Tonspur: |
Deutsch DTS HD-Master 5.1 Englisch Dolby Atmos |
High Dynamic Range: |
HDR 10 Dolby Vision |
Ausstattung: |
4K Blu-ray HD Blu-ray |
Testgerät TV: | LG OLED55B7D | Testgerät Player: | Panasonic UB9004 |
Lord of War Trailer:
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Wie immer top Rezension! 🙂