Ein Zugunglück? „Mord im Orient Express“ 4K Blu-ray im Test


Wir haben uns die Neuinterpretation von Agatha Christies „Mord im Orient Express“ auf 4K UHD Blu-ray angesehen. Wie ihr in unserem Test nachlesen könnt, überzeugt der Film nicht in allen Belangen.

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Mord im Orient Express (4K Ultra-HD) (+ Blu-ray 2D)
  • Dieser Artikel hat Deutsche Sprache und Untertitel.
  • Branagh, Kenneth, Depp, Johnny, Pfeiffer, Michelle (Schauspieler)
  • Branagh, Kenneth (Regisseur)
  • Zielgruppen-Bewertung: Freigegeben ab 12 Jahren

Inhalt (70%)

Kenneth Branagh war schon immer ganz besonders dem klassischen (Film)Stoff verpflichtet. Wenn also einer kommen und nach über 40 Jahren eine Neuverfilmung des Sidney-Lumet-Klassikers auf Grundlage des legendären Krimis von Agatha Christie wagen würde – wer hätte es anders sein sollen? Mord im Orient Express ist inhaltlich und vor allem visuell und in Sachen Ausstattung wie geschaffen für den Shakespeare-Liebhaber, der sich (wie so oft) gleich selbst als Hauptdarsteller in Szene setzt. Natürlich ist Branagh aber nicht alleine. Was er hier an einem Cast versammeln konnte, steht dem 74er Lumet kaum nach: Johnny Depp, Judi Dench, Penélope Cruz, Willem Dafoe, Michelle Pfeiffer – das sind schon ein paar sehr hochkarätige Namen. Und alle werden nach und nach in kurzen Sequenzen vorgestellt. Von der ebenso jungen wie forschen Mary Debenham über den etwas ungeduldigen Dr. Arbuthnot bis hin zum Lebemann Bouc und der mit Klunkern behangenen Fürstin Natalia Dragomiroff. Das spätere Opfer, Mr. Ratchett, bekommt ebenfalls seine Einführung und gibt Johnny Depp die Möglichkeit, durch eine Darstellung aufzufallen, die sich wohltuend von seinen letzten Figuren abwendet.

Hauptdarstellerin Judi Dench (Prinzessin Dragomiroff) und Olivia Colman (Hildegard Schmidt)
Hauptdarstellerin Judi Dench (Prinzessin Dragomiroff) und Olivia Colman (Hildegard Schmidt)

Klasse sind aber nicht nur altgediente Mimen wie Dame Judi Dench, die ihre Zofe stets misslaunig und belehrend behandelt, oder Willem Dafoe, der sich als Professor und Rassist schnell als Unsympath herausstellt, sondern gerade die Nachwuchsdarsteller. Daisy Ridley als moderne Mary Debenham zeigt nicht nur besagtem Professor Hardman selbstbewusst, wie sie zu dessen rassistischen Äußerungen steht, sondern ist gleichzeitig eine höchst aparte Erscheinung. Von der Vorstellung der Figuren abgesehen, sind die ersten zwanzig Minuten so schmissig und flüssig inszeniert; mit solch wunderbaren Kamerafahrten durch den Bahnhof oder von außen am Zug vorbei gefilmt, dass man sofort im Bann dieses im besten Sinne altmodischen Films ist. Denn einen großen Anteil an der Atmosphäre von Mord im Orient Express haben die sensationellen Bilder vom zypriotischen Kameramann Haris Zambarloukos. Gemeinsam mit ihm ging Branagh dieses Mal zurück zu seinen Wurzeln von Hamlet und ließ in 65mm drehen. Eine gute Entscheidung. Denn das, was eine 65mm-Kamera mit entsprechenden Objektiven an Details herausarbeitet, kann von keiner digitalen Filmkamera der Welt erzeugt werden. Mal ganz abgesehen von der sensationellen Aufnahme, in der Poirot den Zug verlässt. Diese drei Minuten lange Sequenz wird als der längste 65mm-Steadicam-Shot aller Zeiten in die Filmgeschichte eingehen. Aber auch atmosphärisch verdichtet der Film durch seine Optik.

Was mit weitläufigen Aufnahmen Jerusalems (gefilmt auf Malta) in der Sonne beginnt und dann im Zug immer enger wird, endet in der Düsternis und Kälte des Schnees. Inhaltlich hält sich der Film an die bekannte Geschichte, doch es gibt eine Abweichung: Kenneth Branagh. Der Regisseur war auch früher immer schon gerne sein eigener Hauptdarsteller und eine gewisse Selbstverliebtheit kann man ihm eben nicht absprechen. Die Konzentration auf seinen Hercule Poirot nimmt den anderen Figuren den Raum. Der Zuschauer bekommt überdies nur wenig Gelegenheit, sich das Puzzle selbst zusammen zu setzen und die finale Schlussfolgerung hat einfach nicht den erlösenden Charakter, den das 1974er Werk von Lumet aufwies.

Ist Mary Debenham (Daisy Ridley) eine eiskalte Mörderin?
Ist Mary Debenham (Daisy Ridley) eine eiskalte Mörderin?

Bildqualität (85%)

Mord im Orient Express wurde, wie erwähnt, hauptsächlich auf 65mm-Analogfilm gedreht, während nur für die Aufnahmen Neuseelands, welche die am Zug vorbeirauschende Landschaft filmten, digitale Kameras eingesetzt wurden. Die Digitalkameras lieferten 6,5K am Ausgang und das analoge 65mm-Material wurde über einen nativen 4K Scan mit dem 6,5K-Material der Arris zusammengebracht und über ein 4K Digital Intermediate gemastert. Es handelt sich bei der UHD also um eine „echte“ 4K-Scheibe. Und die liefert ab! Wo die Schärfe schon bei der Blu-ray wirklich gut war, legt sie bei der UHD noch mal nach und lässt die ruhigen Close-ups mit prächtigen Einzelheiten im Heimkino erscheinen. Poirots Bart wirkt noch mal ein Stückchen plastischer und feiner, die Falten und Unebenheiten in Branaghs Gesicht lassen sich förmlich greifen. Gleich gut schlägt sich die Farbwiedergabe, die zwar von der Integration eines erweiterten Farbraums im Rahmen von Rec.2020 profitiert, es aber nicht übertreibt. Ganz im Gegenteil. Denn während der helleren Szenen sind die warmen Farben der Hauttöne sogar eher etwas reduziert. Sie wirken dadurch nicht ganz so gelb und kommen einem gesunden Teint noch näher. In den dunkleren Bereichen wirken die Farben etwas kräftiger, was allerdings vornehmlich durch den höheren Kontrastumfang und das damit verbundene sattere Schwarz kommt. Die höhere Bilddynamik, die hier in HDR10 vorliegt, liefert tatsächlich vornehmlich ein etwas dunkleres Bild, dessen Schwarzwert satter ist. Nur selten gehen dadurch Details im Dunkeln etwas verloren, wohingegen helle Bereiche besser durchzeichnet sind und gar nicht mehr zum Überstrahlen neigen.

Die Figur des Edward Rachett tut Johnny Depp auf jeden Fall gut.
Die Figur des Edward Rachett tut Johnny Depp auf jeden Fall gut.

 

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Mord im Orient Express (4K Ultra-HD) (+ Blu-ray 2D)
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Tonqualität (80%)

Beim Sound gibt’s für deutsche Käufer keine Änderungen gegenüber der Blu-ray – zumindest nicht, was die Synchronspur angeht. Diese bleibt bei regulärem dts in 5.1. Der klingt durchweg gut, liefert harmonische Synchronstimmen und wird während der Lawine auch schön räumlich und druckvoll. Die Originalfassung erhält jedoch ein Upgrade von dts-HD-Master auf Dolby Atmos. Damit liefert Mord im Orient Express also die theoretische Möglichkeit, Signale auch auf den Heights abzulegen. In der Praxis darf man hier allerdings schon fragen, an welchen Stellen das überhaupt der Fall sein soll, wird doch (bis auf wenige Ausnahmen) fast nur geredet. Und im Prinzip stimmt das auch. Dolby Atmos dient hier vornehmlich dazu, sehr saubere 2D-Sounds und Stimmen zu liefern. Allerdings sind die Höhenkanäle da, wenn sie gebraucht werden. Zum einen werden sie immer wieder genutzt, um eine gewisse Atmosphäre durch die Filmmusik zu liefern und zum anderen gibt es ja das Gewitter und die Lawine. Zwischen 33’10 und 35’10 donnert und grollt es aus den Heights und die Schneemassen fallen dann durchaus hörbar und druckvoll auch von oben. Auch während der zweiten Actionszenen gibt es Dynamik von oben, wenn der Score die Verfolgung Hectors durch Poirot unterstützt. Das Gleiche gilt für den Wind, der pfeift, sobald sich die Figuren draußen vor dem Zug bewegen. Unverändert ist das leichte Rauschen, das die englischen Dialoge begleitet und das durchaus störend wirkt.

Bonus (60%)

Das Bonusmaterial ist reichhaltig mit Featurettes gefüllt. Beginnen tut es mit einem „intimen Porträt von Agatha Christie“, bei dem sogar noch lebende Verwandte wie ihr Enkel Mathew Richard zu Wort kommen. Im dreiteiligen „Die unüblichen Verdächtigen“-Featurette wird für jeweils ca. fünf Minuten über das Cast gesprochen. Hercule Poirot bekommt im gleichnamigen Featurette ebenfalls eine Bühne. Gut zehn Minuten lang spürt man den Wurzeln des Charakters in Christies Büchern nach und erfährt, dass er zunächst nur als einmalige Figur gedacht war. In „Die Kunst eines Mordes“ wird die Produktion selbst aufgerollt. „Alle an Bord“ hingegen kümmert sich mehr um die technische Seite der auf 65mm Film gedrehten Romanadaption. Ein letztes Featurette bietet Einblicke in die Filmmusik und 13 entfernte Szenen ergänzen das Extramaterial gemeinsam mit dem Audiokommentar von Branagh und Michael Green.

Gesamtbewertung Mord im Orient Express – 4K Blu-ray (78%)

Mord im Orient Express entführt den Zuschauer in eine (Kino)Welt, die er heute kaum noch kennt. Mit altmodischen Figuren, traditionellem Filmmaterial und klassischer Erzählweise unterhält Branaghs Neuinterpretation trotz der Tatsache, dass der Regisseur sich selbst nur allzu gerne in den Mittelpunkt stellt. Während die Bildqualität absolut passt, bemängeln die meisten Rezensenten die Story und die Charaktere. Vor allem ältere Semester, die Original-Verfilmung mehrmals gesehen haben, können der neuen Interpretation weniger abgewinnen. Aber Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden. Die deutsche Vertonung ist dann wieder positiv hervorzuheben. Die englische Atmos-Spur überrascht immer wieder (negativ) mit einem Rauschen in der Stimme der Protagonisten, dafür die sie spärlichen aber gut gesetzten 3D-Sounds wieder eine Bereicherung.

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Mord im Orient Express (4K Ultra-HD) (+ Blu-ray 2D)
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Technische Details & Ausstattung:

Erscheinungstermin: 22. März 2018 Review am: 22. März 2018
Erscheinungsjahr Film: 2017 Laufzeit: 114 Minuten
Filmstudio: 20th Century Fox FSK: Ab 12 Jahren
Auflösung / Bildfrequenz:
2160p @ 24p Untertitel:
Deutsch, Englisch, Spanisch,
Italienisch, Niederländisch
Bildformat:
2.39:1 / 16:9 Tonspur:
Deutsch DTS 5.1
Englisch Dolby Atmos
High Dynamic Range:
HDR 10 Ausstattung:
4K Blu-ray
HD Blu-ray
Testgerät TV: LG OLED55B7D
Testgerät Player: LG UP970

Mord im Orient Express Trailer:

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Timo Wolters
Timo Wolters
Der echte Filmfan bleibt im Heimkino: Das Bild ist besser, der Sound unmittelbarer und die Sitznachbarn angenehmer - Timo rezensiert seit 2002 mit Leidenschaft (fast) durch alle Genres. Aktuelle Rezensionen findest du auf blu-ray-rezensionen.net
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